Teufelsberg in Berlin {Lost Places}
Es gibt Orte, die erzählen soviele Geschichten, dass einem beim Zuhören fast schwindelig wird. Beim Teufelsberg kann das aber auch ganz einfach am Ausblick liegen. Der Teufelsberg ist ein künstlich aufgeschütetter Berg im Westen Berlins. Ein sogenannter Trümmerberg: Ursprünglich wollten die Nazis dort eine Wehrtechnische Fakultät errichten, dieser Rohbau wurde jedoch nach dem zweiten Weltkrieg gesprengt. Bis 1972 wurden dann etwa 26 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt aus zerbombten Häusern und Industrieabfällen darauf abgeladen. Damit liegen die Trümmer von etwa einem Drittel aller in Berlin zerstörten Häuser unter diesem Berg.
In der Zeit des kalten Krieges errichteten die US-amerikanischen Streitkräfte auf der Spitze insgesamt 5 markante Antennenkuppeln, die als Abhöranlage für den Funkverkehr im Ostblock dienten. Nach dem Fall der Mauer wurde das Gebäude noch einige Jahre als Flugüberwachungsstation genutzt, seit 1999 steht es leer. Witterung, Vandalismus und Künstler haben in den letzten Jahren reichlich Spuren hinterlassen und machen den Ort zu einer inoffiziellen Pilgerstätte für Einheimische und Touristen. Das Gelände ist mit Büschen und Bäumen stark verwildert, die zahlreichen Gebäude sind zum Teil sehr dunkel, es liegt viel Schutt herum, etwas gefährlich sind offene Aufzugsschächte und fehlende Wände. Einmal im Jahr gibt es dort den ‚Tag des offenen Denkmals‘ mit offiziellen Führungen, Musik und Kunstprojekten. Und wie es der Zufall wollte, befanden wir uns am vergangenen Wochenende zur richtigen Zeit auf diesem beeindrucktenden Gelände.
Unberührte Wände findet man hier nicht mehr, Fans von Urban Art kommen an jeder Ecke auf ihre Kosten. Der Aufstieg ist spannend und der Ausblick bei gutem Wetter einfach unglaublich. Von den Dächern sieht man die komplette Berliner Skyline mit sehr viel mehr Grün, als ich es für möglich gehalten hätte, die umliegenden Seen und vermutlich auch den schönsten Sonnenuntergang der Stadt. Ein frischer Wind weht dort oben und bringt die Reste der stoffartigen Wandverkleidung zum Flattern. Nach etwa 200 Stufen erreicht man die höchste Kuppel, dessen Verkleidung noch nahezu intakt scheint, weil jeder Schritt und jedes Wort wieder und wieder im Echo hallt. An diesem Ort reicht ein leises Wispern, das man nach einer kurzen Verzögerung erneut hört, so als ob man sich selbst von hinten über die Schulter flüstern würde.
In den 90er kauften Investoren das Grundstück und planten ein Hotel mit Museum, sowie luxuriöse Loft-Wohnungen. Aufgrund von Protesten scheiterte das Vorhaben, nur die Musterwohnungen erinnern noch an das Großprojekt. Heute ist die Fläche als Wald und Naherholungsgebiet ausgewiesen. Und wenn ihr in Berlin seid und Lust auf ein wenig Abenteuer, Geschichte und einen beeindruckenden Panorama-Ausblick habt, findet ihr hier auch offizielle Führungen auf dem Teufelsberg.
4 Comments
Roboti
Das klingt alles echt spannend! Ich liebe solche „Geschichten“.
Tobi
Cool, viel Spaß!
Übrigens Deinen Banner eingebaut ;)
tobias-brueggemann.jimdo.com/bilder
Kerstin
Liebe Maria,
vielen Dank für den tollen Bericht und den Ausflugstipp. Bin ja öfter mal in Berlin, doch dort war ich noch nie. Wobei ich derartige „lost places“ sehr mag und inspirierend finde. Glücklicherweise haben wir hier in Leipzig auch noch eine ganze Menge davon. Leider werden sie immer weniger, aber solange es sie noch gibt, wird es mich immer mal wieder dahin ziehen.
Nun bin ich schon gespannt auf Deinen Sieben-Sachen-Sonntag. Der ist für mich immer ein Highlight. Die schönen Fotos und die kurzen Beschreibungen machen jedesmal Lust auf mehr… Ich muss mich endlich mal aufraffen, es Dir diesbezüglich gleich zu tun… ;-)
Pingback: