Rostock Winter 2018 via nähmarie.de
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Straßenbahngeschichten: „Und Rügen war nicht zu erreichen.“

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Rostock, Ende Februar 2018: Sibirische Kaltluft sorgt für einen späten Wintereinbruch. Es ist kurz vor 9 Uhr morgens, Menschen warten verschlafen auf die Bahn. Schnee fällt leise auf die weißen Straßen.

„Wann kommt denn die Bahn? Kann die nicht mehr fahren?“ (Älterer Herr, spricht laut hörbar mit sich selbst.)
„Das hatten wir in Rostock schon mal. 1979.“ (Ältere Dame fühlt sich angesprochen.)
„78/79 war das! Im Winter.“
„Ja stimmt, im Januar 79. Da fuhr keine Bahn und kein Auto in Rostock.“
„Alles zugeschneit.“
„Nichts ist gefahren.“
„Und Rügen! Rügen war nicht zu erreichen.“
„So hoch lag der Schnee.“
(Die ältere Dame zeigt mit der Hand auf Hüfthöhe.)
„Und keiner kam mehr nach Rügen.“
„Stimmt, Rügen war nicht zu erreichen.“
„Mit dem Hubschrauber haben sie Nahrung hingeflogen!“
„Und kein Auto fuhr und keine Bahn.“
„Mit dem Hubschrauber!“
(Der ältere Herr kreist den Zeigefinger in der Luft.)
„Ja, die Armee, die NVA.“
„Genau.“
„Und ich musste ins Krankenhaus. Zur Entbindung. Im Schnee. Nichts fuhr.“
„Gar nichts fuhr da. Die ganze Stadt ist leer gewesen.“
„Mein Mann ist vorne weg durch den Schnee gestapft. Und ich hinterher. Ins Krankenhaus. Zur Entbindung.“
„Naja, so schlimm isses ja diesmal nicht.“
(Erleichterung.)
„Stimmt, so schlimm isses nicht.“
(Wissendes Lächeln.)
„Da kommt die Bahn!“
(Gehen auseinander als wäre nichts gewesen.)

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Die Bilder stammen aus dem Lindenpark und stehen nur soweit mit dem Text in Zusammenhang, als das sie am selben Tag entstanden sind. Zwei Momentaufnahmen aus dem Winter 2018. Im Lindenpark (Rostocks ehemaliger „Alter Friedhof“ einschließlich jüdischem Friedhofsteil) mit etwa 2000 Bäumen und 18 ha Fläche lässt es sich übrigens Sommer wie Winter gut umherspazieren und über Straßenbahngeschichten nachdenken.

4 Comments

  • Thea

    Schöne Winterimpressionen :) Ja, der legendäre Winter `78/79. Ich habe ihn selbst um ein halbes Jahr verpasst, habe aber immer wieder davon gehört, wie die Kohle knapp wurde, der Parteivorsitzende trotz der Krise nicht aus dem Urlaub zurückkommen wollte – und manche der Vermissten auf Rügen wurden erst im Frühjahr wieder gefunden, als der Schnee geschmolzen war. Dagegen ist das derzeitige Wetter natürlich erträglich, es kam eben nur so plötzlich.
    LG Thea

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